| Pressemeldung

Das erste Europaparlament des 21. Jahrhunderts

Erklärung der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) zu den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 10. -13. Juni 1999

Vom 10. bis 13. Juni 1999 sind die Bürgerinnen und Bürger der 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgerufen, ihre Abgeordneten für das Europäische Parlament zu wählen.

Wir Bischöfe der COMECE sind von den Bischofskonferenzen der Mitgliedstaaten beauftragt, mit unseren Anregungen und Gedanken beim Aufbau des vereinigten Europa mitzuwirken. Wir fordern alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich die Bedeutung der europäischen Anliegen bewußt zu machen und zur Wahl zu gehen.

Das europäische Parlament ist zu einer wichtigen Institution der europäischen Politik geworden. Durch die Beteiligung an der Europawahl haben die Bürger die einzigartige Chance direkt am Prozess der Demokratisierung der Europäischen Union mitzuwirken. Darüber hinaus ist die Wahl des europäischen Parlament ein wichtiger Akt der Solidarität im Hinblick auf den demokratischen Aufbruch in Mittel- und Osteuropa.

In einer Welt, die immer enger zusammenrückt, bietet die Europäische Union ein einzigartiges Beispiel internationaler Zusammenarbeit. Die europäische Integration hat bisher gezeigt, was sie wert ist und was sie leisten kann. Um ihr Ziel auch künftig erreichen zu können, muß die Europäische Union im Bewußtsein ihrer Bürger als politische Instanz wahrgenommen werden und nicht nur als eine Organisation rein technischer Natur.

Ganz Europa nimmt gegenwärtig einen neuen Anlauf, ein friedliches Miteinander zu gestalten. Mit Blick auf den Beitritt weiterer Mitglieder wird die Europäische Union eine neue Regierungskonferenz vorbereiten müssen, um ihre Institutionen effektiver und transparenter zu gestalten.

Durch die Beteiligung an der Wahl tragen die Gläubigen dazu bei, dass christlich Werte - wie die Achtung vor dem Leben und der Menschenwürde - bei der Weiterentwicklung des europäischen Projektes grundlegend bleiben.

Im aktuellen Zusammenhang des schrecklichen Krieges, der den Kosovo und Serbien erschüttert, bekommt diese Wahl eine besondere Bedeutung. Durch unsere Teilnahme können wir alle die Legitimität des Europäischen Parlaments und die Autorität der Europäischen Union stärken und ihnen so ermöglichen, effektiver zu der Suche nach einer friedlichen Lösung beizutragen. In diesem Zusammenhang weisen wir auch auf unsere am 11. März 1999 veröffentlichte Erklärung, "Wahrheit, Erinnerung und Solidarität: Schlüssel zu Frieden und Versöhnung" hin.

Die Entwicklung der Europäischen Union und die Bedeutung der Wahl
Die EU entwickelt sich ständig weiter; sie übt einen wachsenden Einfluß auf das tägliche Leben aller Bewohner der Mitgliedstaaten aus. Durch die wirtschaftliche Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Markt, durch eine gemeinsame Handelspolitik nach außen und durch eine einheitliche Währung leistet die EU einen Beitrag zur Stabilität, zum Wohlstand und zum Frieden in Europa. Im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips beteiligt sie sich an den Anstrengungen zur Verringerung von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung.

Die EU will zum inneren Frieden beitragen und die Solidarität fördern. Sie strebt nach größerer Bürgernähe. Aus diesem Grund hat das Europäische Parlament, das sich von den nationalen Parlamenten stark unterscheidet, bereits durch den Vertrag von Maastricht im Jahre 1992 eine Mitentscheidungskompetenz erhalten.

Die Befugnisse des Parlaments sind mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam am l. Mai 1999 noch erweitert worden. Nunmehr nehmen die Europaabgeordneten gleichberechtigt an allen Entscheidungen des Ministerrates teil, bei denen die Mitgliedstaaten mehrheitlich entscheiden. Dieses neue Recht können sie in der Sozialpolitik ausüben, ebenso bei Fragen des Binnenmarkts, des Gesundheits- und Verbraucherschutzes sowie in Umweltfragen.

So werden die Europaabgeordneten in Zukunft gemeinsam mit den Regierungen alle Entscheidungen treffen können, die die Bereiche Arbeitsbedingungen, Ausbildung und Beratung der Arbeitnehmer, Chancengleichheit am Arbeitsplatz und berufliche Eingliederung benachteiligter Gruppen betreffen - vorausgesetzt, auf dem jeweiligen Gebiet existiert kein Abkommen zwischen den Sozialpartnern. Außerdem erhält das Parlament ein Mitentscheidungsrecht für den europäischen Sozialfonds. Schließlich wird dieses Mitentscheidungsrecht auch im Bereich der Entwicklungspolitik sowie in der Verkehrs- und Umweltpolitik relevant.

Diese Entwicklung veranschaulicht das Ausmaß des Einflusses des Europäischen Parlaments auf das Leben der Menschen und ihrer Familien. Immer mehr erstrecken sich die Aktivitäten der europäischen Institutionen auch auf die schwierigen Felder der Menschenrechte, des Schutzes des menschlichen Lebens und des Schutzes von Ehe und Familie.

Mit der Stimmabgabe nimmt jede und jeder eine Handlung von konkreter politischer Tragweite vor und nimmt so sein eigenes Schicksal in die Hand. Die Teilnahme an der Europawahl ist weit mehr als eine rein symbolische Geste oder ein Stimmungsbarometer für die nationalen Regierungen.

Der Auftrag des Parlaments
Vor dem Hintergrund unseres Auftrags, als Kirche in der Welt zu wirken, wünschen wir uns, mit den Neugewählten des Parlaments in Kontakt zu kommen und zusammenzuarbeiten.

Auch die zukünftigen Europaabgeordneten sind zu verantwortlichem Handeln aufgerufen. Sie werden alles tun, um mehr Bürgernähe zu erreichen. Sie werden sensibel mit der Verantwortung Europas gegenüber den anderen Erdteilen umgehen; schließlich werden sie eine Öffnung der Europäischen Union ermöglichen, die mit einer Vertiefung der Ideale der Gemeinschaft einhergeht.

Beim Aufbau einer immer gerechteren Gesellschaft wollen wir mit ihnen zusammenarbeiten, um in allen Bereichen die Würde des Menschen zu wahren, insbesondere bei der Anwendung neuer Technologien und bei der Sorge um den Lebens- und Gesundheitsschutz in Europa Im sozialen Bereich engagieren wir uns bei der Suche nach Lösungen zur Verminderung der Arbeitslosigkeit und der sozialen Ausgrenzung und kämpfen für die Beseitigung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Die Glaubwürdigkeit des zukünftigen Europaparlaments wird aus der moralischen Autorität und der intellektuellen Kompetenz seiner Mitglieder erwachsen.

Brüssel, den 9. Mai 1999

Die Bischöfe der COMECE

Josef HOMEYER, Bischof von Hildesheim (Deutschland) - Präsident der COMECE Maurice COUVE de MURVILLE, Erzbischof von Birmingham (England-Wales) Lucien DALOZ, Erzbischof von Besançon (Frankreich) Luk DE HOVRE, Weihbischof von Brüssel (Belgien) Joseph DUFFY, Bischof von Clogher (Irland) Fernand FRANCK, Erzbischof von Luxemburg Egon KAPELLARI, Bischof von Gurk (Österreich) William KENNEY, Weihbischof von Stockholm (Schweden) John MONE, Bischof von Paisley (Schottland) Attilio NICORA, Italienische Bischofskonferenz Januario TORGAL FERREIRA, Weihbischof von Lissabon (Portugal) Adrianus van LUYN, Bischof von Rotterdam (Niederlande) Antonio VARTHALITIS, Erzbischof von Korfu (Griechenland) Elias YANES ALVAREZ, Erzbischof von Zaragoza (Spanien)

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