| Pressemeldung

Bericht des Vorsitzenden der Jury, Weihbischof Thomas Maria Renz (Rottenburg-Stuttgart): Lesen hat Zukunft!

Ist es um die Lesekultur in unserem Land wirklich so schlecht bestellt? Seit Veröffentlichung der PISA-Studie häufen sich solche pessimistischen Einschätzungen. Das Vertrauen in die Lesefähigkeit von Kindern und Jugendlichen ist scheinbar ebenso geschwunden wie das Vertrauen in unser Bildungssystem. Und trotzdem boomt doch der Büchermarkt nach wie vor. Das haben wir in der Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises der Deutschen Bischofskonferenz beim diesjährigen Wettbewerb mehr denn je erfahren.
Es lohnt sich also noch immer zu lesen! Und es lohnt, sich für gute Literatur einzusetzen. Dazu möchte unser Preis beitragen, den die Deutsche Bischofskonferenz erstmals 1979 vergeben hat. Lesen hat eine Zukunft! Lesen darf nicht auf den schulischen Raum oder das Elternhaus beschränkt bleiben. Vielmehr müssen wir - auch als Kirche - Räume bieten, die das Lesen ermöglichen. Unsere katholischen öffentlichen Büchereien sind solche Räume. Allen, die sich in solchen Pfarrbüchereien engagieren - in aller Regel ehrenamtlich - sei an dieser Stelle wieder einmal sehr herzlich gedankt.
Nach der Verleihung im vergangenen Jahr im Bistum Essen sind wir dieses Jahr zu Gast in Mainz. Damit haben wir umgesetzt, was wir schon lange geplant haben, nämlich den Preis jährlich zu verleihen. Die nächste Preisverleihung wird am 19. März 2003 in München stattfinden, wozu ich Sie alle heute schon herzlich einlade. Im Produktionsjahr 2001 hat die Jury 289 eingereichte Bücher aus 60 verschiedenen Verlagen aufmerksam geprüft. Und wir sind uns alle einig: Lesen macht meistens Spaß und erweitert fast immer den eigenen Horizont.
Lassen Sie mich nun mit Ihnen gemeinsam einen Blick werfen auf die Bücher, die die Jury in diesem Jahr auf ihre Empfehlungsliste gesetzt hat. Zunächst: Wir haben im diesjährigen Wettbewerb erstaunlich viele Bibeln bekommen bzw. Bücher, die ausgewählte Perikopen des Alten oder Neuen Testaments erzählen. Wir waren jedoch zugegebenermaßen enttäuscht, dass so gar nichts wirklich Empfehlenswertes darunter zu finden war. Die Bibel scheint für manche Verlager zum billigen Massenprodukt geworden zu sein, mit dem sich immer wieder das flotte Geld machen läßt - aber eben leider allzu oft auf Kosten der Qualität. Ein neuer Ansatz zu größerer Qualität und literarischer Tiefe wäre also dringend notwendig und wünschenswert. Wir empfehlen jedoch ein Buch, das sich in hervorragender Weise mit der Umwelt der Bibel auseinandersetzt: im Patmos Verlag hat Miriam Feinberg Vamosh das Sachbuch "Land und Leute zur Zeit Jesu" veröffentlicht. Der Frage, wie Palästina zur Zeit Jesu aussah, wird mit Einblicken in die politischen Verhältnisse, historischem Quellenmaterial und archäologischen Zeugnissen nachgegangen. Eine brillante Einführung in eine längst vergangene und doch so lebendige Zeit.
Auch Gebetbücher und theologische Sachbücher - für Jugendliche gut und brauchbar aufgearbeitet - scheinen Mangelware zu sein. Um so mehr freuen wir uns über den ungewöhnlichen Kirchenführer von Sabine Herholz, "Wir schaun uns um in Gottes Haus". Hier werden Kindern einfache, klare Antworten auf Fragen gegeben, die sich in einem Kirchengebäude stellen. Über bloße Sachinformationen hinaus werden wesentliche Glaubensinhalte vermittelt.
Dieser Glückwunsch gilt auch einem Familiengeschenkbuch, das die Vorbereitung zur Erstkommunion thematisiert. Albert Biesinger und Thomas Hessler - wir freuen uns, dass Albert Biesinger heute Abend hier ist - haben Texte und Bilder aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln geschaffen, die auf vielfältige Beziehungen zwischen Gott und den Menschen verweisen in ihrem Buch "Gott mit neuen Augen sehen". Das Buch vermittelt die Botschaft: mit Gott kann der Lebensweg gelingen. Dazu tragen vor allem die in ihrem eigenwilligen abstrakten Stil den eingefahrenen Sehgewohnheiten zunächst widersprechenden Bilder bei, die viel Raum für Meditation und Gespräch bieten.
Ein Sammelwerk, das freilich nicht gerade in die Österliche Bußzeit passt, ist das Buch von Ingrid Weixelbaumer, "Der sprechende Weihnachtsbaum". Mit den 32 Erinnerungen von Autoren und Illustratoren vermitteln Sie, Frau Weixelbaumer, eine breite Variation der Weihnachtsthematik, in der Geschenke zwar eine Rolle spielen, nicht aber das Fest im Konsum untergeht. Zu diesem Werk beglückwünschen wir Sie herzlich. Gleichzeitig ist es uns ein Anliegen, Ihr langjähriges und vielfältiges Engagement für den von Ihnen geleiteten Gabriel-Verlag in Wien zu würdigen. Viele der Werke sind in der Geschichte unseres Preises schon auf die Empfehlungsliste gesetzt worden und einige haben sogar den Preis bekommen. Ohne Ihren Einsatz wäre die Branche des religiös motivierten Buches wohl um einiges ärmer. Diese Anerkennung gilt auch Ihnen, verehrte Frau Ebinger, die Sie einige Verantwortung des in den Thienemanns Verlag aufgenommenen Gabriel Verlags tragen. Wir freuen uns, dass auch Sie heute Abend unter uns sind.
Auch für Ihr Kommen, lieber Herr Leo Linder, sind wir dankbar. Die Zahl Ihrer Veröffentlichungen ist lang, Ihre Filme sind über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt geworden. Mit dem biographischen Roman "Das stürmische Mädchen" stellen Sie eine Jeanne d' Arc vor, die über normalen Geschichtsunterricht erfrischend hinaus geht. Mitreißend ist Ihre Sprache, so dass ein Bild entsteht, das nichts mit einer französischen Schwärmerin zu tun hat. Die Biographie einer Heiligen - in einem säkularen Verlag erschienen - ist eine sympathische Art katechetischer Arbeit, um das Andenken an solche historischen Personen lebendig zu halten.
Zum 40-jährigen Bestehen der Hilfsorganisation "amnesty international" ist der von Reiner Engelmann und Urs M. Fiechtner herausgegebene Sammelband "aller menschen würde" erschienen. Essays und Gedichte von Mitarbeitern der Organisation und Opfern von Menschenrechtsverletzung geben hier zum Teil sehr beeindruckende Zeugnisse für die in unserer Welt so oft bedrohte Würde jedes Menschen. Die Jury war beeindruckt von der Vielfalt und den eindringlichen Texten, die zeigen, dass die Würde des Menschen als Geschöpf Gottes an vielen Punkten bedroht ist. Wir freuen uns besonders über Ihr Kommen, Herr Engelmann.
Lassen Sie mich die weiteren Titel der Empfehlungsliste wenigstens in Kürze erwähnen. Ein "Dauerkandidat" für unsere Empfehlungsliste scheint der niederländische Autor Henri van Daele zu sein. Sein neuer Roman "Der Dicke Idee" berichtet über ein Jahr im Leben eines jungen Mannes, der unter anderen Bedingungen und Zeiten möglicherweise in einem Heim für schwer Erziehbare gelandet wäre.
Vor einem Jahr wurden wir von einer Fachzeitschrift dafür gewürdigt, den in Deutschland nicht immer anerkannten amerikanischen Autor Robert Cormier erkannt zu haben, als wir ihm 1997 den katholischen Jugendbuchpreis verliehen haben. Die Jury war der einhelligen Auffassung, dass Cormier posthum noch einmal einen Platz auf unserer Empfehlungsliste verdient hat. Sein Roman "Heroes" erzählt eindringlich vom Gewissenskonflikt eines jungen Mannes.
Um Gewissens- und Loyalitätskonflikte unter dem Druck der Regeln einer Sekte geht es auch im Roman von Monika Feth, "Das blaue Mädchen". Wir wollen dieses Buch besonders empfehlen, weil es bewegend von der Sekte "Kinder des Mondes" erzählt und dabei subtil die Spannung zwischen innerer Freiheit und äußeren Regeln behandelt. Gesetze und Gehorsamsanspruch einer Gemeinschaft werden bei Feth unmenschlich, wenn sie zu Instrumenten der Macht geworden sind.
Auch Mirjam Pressler ist mit ihrem erst vor kurzem von der Wochenzeitung "Die Zeit" ausgezeichneten Buch "Malka Mai" ein eindrucksvoller Roman gelungen, der von einem Mädchen auf der Flucht vor den Nazis erzählt. Weder beschönigt das Buch, noch spart es die tiefsten Verletzungen aus, die das Mädchen Malka erfährt und die sie ihr Leben lang begleiten werden. Pressler hat mit "Malka Mai" ein Buch geschrieben, das von Menschlichkeit und Menschwerdung in einer finsteren Zeit erzählt.
Mit Oscar Wilde, "Der selbstsüchtige Riese", haben wir eine bekannte Geschichte ausgezeichnet. Die Jury war von den Bildern angerührt, die glaubhaft die bewegende Geschichte eines hartherzigen Mannes erzählen, der im Mut zur Hilfsbereitschaft unerwartet zu einem glücklichen Leben findet.
Das Werk von Isabel Pin, "der kern", ist ein außergewöhnliches Bilderbuch zum Thema Krieg und Frieden. Zwei Käfervölker, die sich um einen auf ihrer Landesgrenze liegenden Kirschkern streiten, werden dabei detailgenau eingefangen und mit fesselnder Individualität belebt. Ihre Einsicht, dass sich ein Krieg wegen den potentiellen Erträgen einer künftigen Obstplantage nicht lohnt, beeindruckt sicher junge wie ältere Leser.
Und dann haben wir noch ein Buch ohne Text als besonders empfehlenswert ermittelt. Katy Couprie und Antonin Louchard, "Die ganze Welt", ist eine Bildersammlung, die Vertrauen und Lebensfreude ausstrahlt und sich gerade dadurch für vielfältige katechetische Arbeit eignet. Der Text zu den wunderbaren Bildern bildet sich in meiner Phantasie gewissermaßen von selbst bei deren Betrachten.
Eine Autorin der Empfehlungsliste nenne ich zuletzt. Das dürfen Sie mir nicht persönlich nehmen, liebe Frau Jutta Richter, aber es hat mit der Nähe Ihrer Geschichte "Hinter dem Bahnhof liegt das Meer" zu unserem diesjährigen Preisbuch zu tun. Den Verkauf eines Schutzengels durch einen Jungen, der schnell zu Geld kommen will, schildern Sie in Ihrem Werk. Auch Ihnen gelingt das, was die Preisträgerin im Bilderbuch realisiert: Sie schaffen eine unkonventionelle und doch so beeindruckende Vorstellung eines Schutzengels. Ausdrucksstark erzählen sie diese bewegende, traurige und doch auch hoffnungsvolle Geschichte von Sehnsucht, Verantwortung und echter Freundschaft. Der Mensch kann dem Menschen zum Engel werden - diese Botschaft vermitteln Sie und knüpfen damit an manche von Ihnen aufgegriffene religiöse Thematik an. Die Jury unseres Preises weiß Ihre Arbeit zu schätzen, auch Ihre früheren Werke.
Und damit sind wir bei der Preisträgerin angekommen, die mit ihren Cartoons beeindruckt und die Bischöfe bei der Lektüre erfreut hat. Jutta Bauer erhält den 13. Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz für ihr jede Altersklasse berücksichtigendes Bilderbuch "Opas Engel". Wir danken Ihnen, Frau Bauer, dass Sie heute Abend mit Ihrem Verleger, Herrn Humann und Ihrer Lektorin, Frau Gross nach Mainz gekommen sind. Mit Ihren Aquarellen zeigen Sie eine Wahrheit, die hinter dem Sichtbaren liegt. Von Anfang an haben wir heute Abend mitverfolgen können, wer die Hand schützend über den Großvater hält. Ihr Buch hebt sich - wie auch bei Jutta Richter - wohltuend und einfühlsam von anderen Engelbüchern ab. Sie haben eine unsentimentale Engelfigur geschaffen, die vor allem durch ihre menschlichen und humorvollen Züge zutiefst anrührt. Dieser Engel erweckt Vertrauen und vermittelt eine transzendentale Dimension: Gott behütet und begleitet den Menschen ein Leben lang. Ihr Werk ist zeitgemäß und nicht idyllisierend. Trotz Krankheit und Tod des Großvaters halten Sie gekonnt bis zum Ende der Geschichte eine optimistische Grundstimmung aufrecht. Das Buch bezieht seinen Reiz aus der Spannung zwischen Bild und Text. Letzterer tritt so weit in den Hintergrund, dass viel Fantasie für das Erzählen von Großvaters erlebensreichem Leben bleibt, nach dem Motto: soviel Text wie nötig und so wenig Text wie möglich. Denn die Bilder erzählen das Wesentliche ja meist von selbst. Beispielhaft wird mit Ihrem Werk eine religiöse Erfahrung vermittelt: der Großvater auf dem Sterbebett ist von einer unausgesprochenen Heilsgewissheit getragen, die er zwar ein wenig oberflächlich "Glück" nennt, die Sie jedoch in Form eines das Menschenleben begleitenden Engels sehr tiefsinnig dargestellt haben.
Meine Damen und Herren, so sieht er also aus, der diesjährige Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis. Lassen Sie mich am Ende meines Berichtes ein Wort des Dankes sagen: es ist der Preis der Deutschen Bischofskonferenz, aber es ist die Leistung unserer neunköpfigen Jury, die diese Entscheidung herbeigeführt und die Empfehlungsliste zusammengestellt hat. Dieser Jury gilt - so glaube ich - unser aller Dank.
Abschließend möchte ich Sie alle herzlich einladen: Lesen Sie doch mal wieder - alleine oder mit Kindern. Denn Lesen ist eine Kulturaufgabe, die manchmal müht, aber meistens lohnt!
Weihbischof Thomas Maria Renz Juryvorsitzender

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