| Pressemeldung

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl Lehmann, zum 50. Todestag des Bischofs von Münster, Clemens August Kardinal von Galen (22.3.1946)

Vor 50 Jahren starb Clemens August Kardinal von Galen, eine der herausragenden Persönlichkeiten des deutschen Katholizismus im Kampf gegen die menschenverachtenden Praktiken des Nationalsozialismus. Gegen die herrschende Ideologie hat er für die Heiligkeit jedes menschlichen Lebens unabhängig von Rasse oder Religon gekämpft. Schonungslos prangerte er öffentlich den organisierten Mord an Altersschwachen und Geisteskranken an und verteidigte die Kirche gegen die Angriffe der Nationalsozialisten.

Bischof von Galen hatte sein Amt nicht im Zeichen des öffentlichen Widerspruchs gegen die nationalsozialistischen Machthaber angetreten. Viele Bischöfe hofften damals auf die Wirksamkeit offizieller kirchlicher Beschwerden bei der Regierung. Auch Bischof von Galen vermied zunächst öffentlichen Protest, drängte jedoch intern von Anfang an entschieden auf einen härteren Abwehrkurs gegen die kirchenfeindlichen Maßnahmen und die offenen Rechtsverletzungen der Nationalsozialisten. Nach dem Judenpogrom am 9. November 1938 war er bereit, zugunsten der bedrängten Mitbürger auf die Kanzel zu gehen. Er nahm davon auf Bitten der örtlichen Judenschaft Abstand, um deren Lage - nach ihrer eigenen Einschätzung - nicht zu verschlechtern.

Der Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz und die unbedingte, in Gott gründende Würde jeder menschlichen Person waren der Maßstab seines Lebens und Handelns. Getreu seinem bischöflichen Wahlspruch "Nicht Menschenlob, nicht Menschenfurcht soll uns bewegen" stand seine persönliche Entscheidung unzweifelhaft fest. "Lieber sterben als sündigen!" rief er in einer seiner berühmten Predigten vom Sommer 1941 (20. 7.) den Gläubigen zu. Zwar wollten seine Predigten kein Aufruf zum offenen Widerstand sein. Dennoch entfaltete sein Protest eine enorme politische Wirkung. Von Galen selbst wußte sehr wohl, "daß der Gehorsam gegen Gott, die Treue gegen das Gewissen mir oder Euch das Leben, die Freiheit oder die Heimat"kosten konnten. Die ihm von den Nationalsozialisten angedrohte "Abrechnung" haben die Nationalsozialisten auf die Zeit nach dem erwarteten "Endsieg" verschoben. Dazu ist es, Gott sei Dank, nicht gekommen. An Weihnachten 1945 ist er in das Kardinalskollegium berufen worden. Weltweit hat man dies als Anerkennung seines vorbildlichen Einsatzes für die Verfolgten und Unterdrückten verstanden.

Bischof von Galen starb bald nach dem Untergang des "Dritten Reiches" am 22. März 1946. Er hatte, wie sein enger Mitarbeiter und späterer Bischof von Aachen, Johannes Pohlschneider formulierte, "seinen Lebensauftrag erfüllt. Eine neue Zeit brach an, mit neuen Aufgaben und mit anders gearteten Problemen".

Die mutige Entschlossenheit des "Löwen von Münster" und seine ungeteilte Bereitschaft, für die unverrückbaren Gebote Gottes, über die sich die Machthaber erheben wollten, bis zum Einsatz des eigenen Lebens zu kämpfen, sind ein großartiges Zeugnis für den Glauben und für die Heiligkeit des Lebens. Vielen Katholiken hat Kardinal von Galen damals Mut gemacht, in ihrem eigenen Lebensumfeld ihren Glauben zu bekennen und sich für verfolgte Mitmenschen einzusetzen. Zwei weitere Glaubenszeugen aus der Zeit des Nationalsozialismus, Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner, wird Papst Johannes Paul II. am 23. Juni in Berlin seligsprechen. Beide haben ihren Widerspruch gegen das Regime mit dem Tode bezahlt. Menschen, die in Gott gründen und sich in aller Konsequenz an unbedingten Maßstäben orientieren, sind auch für unsere Gegenwart mitreißende Vorbilder der Mitmenschlichkeit und des Gottvertrauens.

Auch wir brauchen den entschiedenen Einsatz der Christen für die Heiligkeit und Unverletzlichkeit menschlichen Lebens und menschlicher Würde. Sie sind heute weniger durch staatlich verordnete Ideologien, als vielmehr durch Tendenzen in der Gesellschaft bedroht. Wenn beispielsweise von Wissenschaftlern das Lebensrecht behinderter Kinder in Frage gestellt wird, ist ein Tiefststand der philosophischen Ethik erreicht, der in erschreckender Weise die Abgründe deutlich macht, in die eine Ethik führen kann, die transzendente Maßstäbe nicht zuläßt. Ähnliches gilt, wenn Forscher menschliche Embryonen für ihre Zwecke wie eine Sache benutzen und wenn über die Zulassung aktiver Sterbehilfe diskutiert wird. Mit der "Woche für das Leben", die in diesem Jahr (04. 10.05.1996) den Schutz des alten und besonders des kranken Menschen am Lebensende zum Thema hat, steht die Kirche in Deutschand auch in der Tradition des großen Kardinal von Galen und führt unter veränderten Rahmenbedingungen sein Erbe entschieden fort.

21. März 1996
Bischof Dr. Karl Lehmann
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz


Hinweis: Aus Anlaß des 50. Todestages von Kardinal von Galen hat die Kommission für Zeitgeschichte eine umfassende Neuausgabe seiner Akten, Briefe und Predigten von 1933 bis 1946 herausgegeben: Bischof Clemens August Graf von Galen. Akten, Briefe und Predigten 1933-1946. Bearbeitet von Peter Löffler. 2., erweiterte und durchgesehene Auflage 1996, 2 Bände = Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, Bd. 42.

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