| Pressemeldung

Anregungen eines Heiligen

Predigt von Georg Kardinal Sterzinsky, Erzbischof von Berlin, am Gedenktag des Hl. Vinzenz von Paul, 27. September 2001

Der Hl. Vinzenz von Paul, der Tagesheilige, ist uns kein Unbekannter. Viele Schwesterngemeinschaften unserer Diözesen gehen in ihren geschichtlichen Anfängen auf seine Initiativen zurück. Gruppen und Gemeinden tragen seinen Namen. Den Lazaristen - auch eine Gründung des Hl. Vinzenz - können wir hier und da begegnen.
Vielleicht haben wir auch eine Vorstellung von seinem Lebensweg: zeitlich noch unreif und falsch motiviert, lässt er sich zum Priester weihen ..., er erlebt eine tiefe Bekehrung, die in ihm die Bereitschaft zur selbstlosen Hingabe seines Lebens wachsen lässt ..., er wird der Seelsorger, der neue Wege geht, die sich als äußerst fruchtbar erweisen.
Ein Heiliger, der nicht vergessen werden soll.
Verständlicherweise ist er nicht einfach nachzuahmen: in seiner Art ist er einmalig wie jeder Mensch; und die Situation hat sich in der Geschichte tiefgreifend verändert. Aber anregend bleibt eine solche Persönlichkeit immer.
Vinzenz von Paul weist in Leben und Werk
auf die Zusammengehörigkeit von Pastoral und Caritas,auf die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe,auf das Miteinander von jetzt Gebotenem und nachhaltig Wirkendem.
1. Die Zusammengehörigkeit und gegenseitige Bezogenheit von Pastoral und Caritas/Diakonie.
An theologischer Reflexion über diakonische Pastoral und pastorale Diakonie feht es uns nicht: Wenn auch manches in der Diskussion festläuft, wissen wir doch Ausgangspunkte, Bezugspunkte, Schwerpunkte und Zielpunkte zu benennen.
In der Praxis zeigen sich dann die Schwierigkeiten: der diakonische Dienst verlangt so viel Professionalität, dass die dafür weniger Ausgebildeten nicht mithalten können und in ihrem pastoralen Bemühen die caritativen Aufgaben kaum angehen können. Und umgekehrt sind die Mitarbeiter der caritativen Dienste trotz guten Willens und pastoraler Absichten - nach eigenem bekunden - nicht in der Lage, pastoral zu handeln.
Und immer wieder das Unbehagen: Alles hänge an den Hauptamtlichen, Ehrenamtliche fehlen oder kämen nicht zum Zuge.
Rezepte für die Lösung solcher Schwierigkeiten finden sich auch beim Hl. Vinzenz nicht. Aber ob vinzentinische Spiritualität nicht doch Auswege finden kann? Jene Spiritualität die keinen in der Not allein lässt und doch weiß, dass dem Menschen erst dann recht geholfen ist, wenn er zu Gott findet.
Vielleicht muss ein Heiliger kommen, der uns vorlebt, wie in heutigen Verhältnissen Seelsorge und Caritas verbunden werden. Und vielleicht gibt es den schon, etwa in Mutter Theresa.
Damit hängt alles zusammen
2. Die Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe.
Auch hier: An theologischer Reflexion und theoretischer Einsicht fehlt es nicht. Aber die Praxis!
Der Hl. Vinzenz kann weiterhelfen. In seinen spirituellen Unterweisungen für die Schwestern zieht er die Konsequenzen, etwa wenn er klärt: der notwendige Einsatz für einen Kranken sei wichtiger als die genaue Einhaltung einer Gebetszeit; Regeln für spirituelle Übungen dürften den Dienst an den Armen nicht einschränken.
"Laßt uns Gott lieben, aber auf Kosten unserer Arme und im Schweiße unseres Angesichts" - nicht zuerst eine Regel für Mitraträger an heißen Sommertagen, sondern eine Aufforderung, die Anstrengung tätiger Nächstenliebe nicht zu scheuen.
Schließlich:
3. Das Miteinander von jetzt Gebotenem und Sorge für die Zukunft.
Die Biographen sagen: Vinzenz habe nicht zuerst Konzepte entwickelt, er sei überhaupt kein Genie konzipierender Tätigkeit gewesen, sondern habe immer zuerst das Nächstliegende getan, dann aber habe er zugesehen, wie er mit immer neuen Mitarbeitern zu festen Organisationen und Einrichtungen fand, die der Arbeit Nachhaltigkeit verleihen konnte.
Also begann er beispielsweise mit seinen Gefährten gegen die religiöse Unwissenheit und Gleichgültigkeit auf dem Lande Volksmissionen zu halten ..., bis er die wichtige Aufgabe erkannte, für eine bessere Priesterbildung zu sorgen, damit solche Aktivitäten dauerhaft fruchtbar werden konnten.
Die Balance zwischen dem jetzt Gebotenen und der Sorge für die Zukunft ist nicht leicht zu finden. Womöglich plagen wir uns mit dem unmittelbar Dringenden und finden nicht zu Schwerpunkten, gewinnen kein Profil und keine bleibende Fruchtbarkeit ... oder wir entwerfen Konzepte und Pläne und kommen nicht zur Praxis.
Einem Heiligen wie Vinzenz ist es gelungen - ganz sicher durch die Gaben des Hl. Geistes, die in dem wirken, der sich von ihnen erfüllen lässt.
Also bleibt es dabei: "Laßt uns Gott lieben, aber auf Kosten unserer Arme und im Schweiße unseres Angesichts." Wer sich in dieser Weise um Heiligkeit und ernsthaft um Gottesliebe müht, dem wird gegeben, das zu tun, das fortwirkt.
Amen.

Cookie Einstellungen

Wir verwenden Statistik Cookies um zu verstehen, wie Sie mit unserer Webseite interagieren.

Anbieter:

Google

Datenschutz

Matomo

Datenschutz

Diese Cookies sind für den Betrieb der Webseite zwingend erforderlich. Hier werden bspw. Ihre Cookie Einstellungen gespeichert.

Anbieter:

Deutsche Bischofskonferenz

Datenschutz