| Pressemeldung | Nr. 221

Abschlussaudienz bei Papst Franziskus anlässlich des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischöfe

Ansprache von Kardinal Reinhard Marx

© Romano Siciliani
Vaticano, 20 novembre 2015. Udienza del Santo Padre Papa Francesco ai vescovi tedeschi in visita ad limina. Il saluto del card. Marx

Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hat bei der Abschlussaudienz des Ad-limina-Besuchs eine Ansprache gehalten, die wir hier dokumentieren. Diese Rede und die Ansprache von Papst Franziskus an die Bischöfe sind auch untenstehend als pdf-Dateien verfügbar.

Heiliger Vater,

unsere Pilgerfahrt Ad-limina Apostolorum neigt sich dem Ende zu. Die Gottesdienste in den großen Basiliken der Stadt haben uns deutsche Bischöfe wieder zur Begegnung mit dem Anfang und Ursprung der Kirche geführt. Als Nachfolger der Apostel vertrauen wir aufs Neue der Fürsprache der Apostel Petrus und Paulus. Die Gespräche in den Dikasterien ließen uns den Dienst der römischen Kurie für den Papst und die Kirche in aller Welt erfahren. Wir freuen uns sehr, Heiliger Vater, dass wir nun die Möglichkeit zur gemeinsamen Begegnung mit Ihnen haben. Sie stellt den Höhepunkt dieser Tage dar.

Wieder haben in diesem Jahr viele Ihrer Ansprachen, Ihre Apostolischen Reisen und nicht zuletzt die Enzyklika Laudato si` den Gläubigen und unzähligen Menschen auch außerhalb der Kirche kraftvolle Impulse für den Weg in die Zukunft gegeben. Solcher Impulse bedarf es in einer Zeit vielfältigen Wandels. Sie zeigen durch Ihre Worte und Ihr Beispiel, wie die Kirche überzeugende Pilgerin sein kann auf dem Weg, den die Menschen von heute gehen.

Dieser Wandel der geistigen, kulturellen und moralischen Situation ist die eine Seite. Wir wissen uns gesandt, das Evangelium den heutigen Gegebenheiten entsprechend treu, verständlich, gewinnend aber auch immer wieder neu und frisch allen Menschen zu verkünden. Dazu benötigen wir das Gespräch mit den religiösen und geistigen Strömungen der Gegenwart und auch mit denen, die dem Glauben gleichgültig gegenüberstehen. Die andere Seite sind Veränderungen im Inneren der Kirche. In vielen Bistümern ist ein tiefgreifender Umbau in vollem Gang. Die Pfarreien und viele kirchliche Verbände und Initiativen werden neu geordnet. Auch macht uns die stark zurückgehende Zahl der Priester große Sorge. Ein großes und weit verzweigtes caritatives Engagement ist typisch für die Kirche in Deutschland. Dieses Engagement muss immer wieder vom Zentrum unseres Glaubens her gestärkt werden. Stets gilt: Wir wollen den Menschen nahe sein und wissen, dass es dazu oft der vorgängigen inneren und äußeren Umkehr bedarf. Die Evangelisierung beginnt bei uns selbst.

Schmerzlich haben wir dieses Erfordernis der Umkehr zu Beginn dieses Jahrzehnts erfahren, als viele Fälle sexualisierter Gewalt, begangen durch Priester, Ordensleute und andere Personen im kirchlichen Dienst, aufgedeckt wurden. Wir haben nach und nach gelernt, die Perspektive der Opfer zum Ausgangspunkt unseres Handelns zu machen. Wir haben Versäumnisse zugegeben und um Entschuldigung gebeten. Wir haben viele Schritte zur Aufarbeitung der Vergangenheit getan und können jetzt in einem nächsten Schritt den umfassenden Schutz von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt rücken. Ihrem verehrten Vorgänger Papst Benedikt und Ihnen sind wir für Ihre klare Sprache und für viele Gesten dankbar.

Die Krise war Ansporn für einen Prozess des Dialogs und des Werbens um neues Vertrauen in den Bistümern und bistumsübergreifend. Wir sind dabei auch schwierigen Themen nicht ausgewichen. Eines dieser Themen ist die pastorale Sorge um die Gläubigen, die nach einer Trennung zivil ein zweites Mal geheiratet haben. Wir haben dieses Thema eingefügt in die sehr viel weiter reichende Frage nach einem klaren, gewinnenden und kirchlich verwurzelten Eintreten für die Ehe und die Familie. Hierzu bereiten wir eine Verlautbarung vor.

Heiliger Vater, die deutschen Bischöfe sind dankbar, dass Sie zur Vertiefung und Weiterführung dieser Fragen den synodalen Weg eingeschlagen haben, der nun zur Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode geführt hat und – wie wir von Ihnen erbitten – mit einem Schreiben von Ihnen bald in eine nächste Etappe münden wird. Wir glauben, dass schon der bisherige Weg gute Früchte gebracht hat. Ihre Ansprache zum Abschluss der Synode ist so etwas wie der hermeneutische Schlüssel zum Verständnis dieses synodalen Weges und des Schlussdokumentes.

Große Aufmerksamkeit und viel Zustimmung hat bei uns Ihre Ansprache aus Anlass des Jubiläums der Errichtung der Bischofssynode gefunden. Eine stärker synodale Kirche würde die Chance bieten, das Verhältnis von zentraler Steuerung der Kirche durch den Nachfolger Petri einerseits und angemessenen Formen dezentraler Festlegungen und Vorgangsweisen neu zu justieren. Nötig wird eine solche erneuerte Zuordnung wegen der Verschiedenheit der Entwicklungen und kulturellen Situation in den verschiedenen Teilen der globalisierten und doch vernetzten Welt. Der Primat des Papstes ist gerade heute in einer Welt der Globalisierung von großer Bedeutung. Zugleich ist die Communio der Kirche ein untrennbares Zu- und Miteinander von Orts- und Universalkirche. Keine Institution dieser Welt kann wohl so nachdrücklich den Herausforderungen der Globalisierung entsprechen wie die katholische Kirche und in ihr der Bischof von Rom.

Sie, Heiliger Vater, gehen vielfach und mit ausdrucksstarken Gesten auf die Menschen an der Peripherie zu und bezeugen ihnen in der Nachfolge Christi Gottes Barmherzigkeit und Liebe.  Sie drängen auf eine Lösung der großen wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen, die auch den Armen gerecht wird. Wir unterstützen Ihren Einsatz durch unsere Aufklärungs- und Partnerschaftsarbeit und durch viele eigene weltkirchliche Aktivitäten. Wir hoffen, auch auf diese Weise mit den materiellen Mitteln gut umzugehen, die der Kirche in Deutschland aus vielen Gründen zur Verfügung stehen. Insbesondere sind wir Ihnen für Ihre Reden in den Vereinigten Staaten von Amerika und bei den Vereinten Nationen und für Ihre Enzyklika zu den weltwirtschaftlich-ökologischen Verflechtungen dankbar, die jetzt in der Pariser Weltklimakonferenz nochmals höchste Aktualität haben werden.

Ein neuer Abschnitt der Globalisierungserfahrung hat in diesen Monaten für viele Länder Europas durch die Ankunft hunderttausender Flüchtlinge vor allem aus dem Mittleren Osten begonnen. Sie selbst haben seit Beginn des Pontifikats auf das Drama der Flüchtlinge aufmerksam gemacht. Unser Land hat viele Flüchtlinge aufgenommen. Wir sind über den Geist der Offenheit und der Hilfsbereitschaft bei uns froh und freuen uns darüber, dass auch aus unseren Gemeinden, Verbänden und Einrichtungen hunderttausende freiwillige Helfer und mehrere tausend kirchliche Mitarbeitende selbstlos in der Flüchtlingsarbeit tätig sind. Schon früh haben wir ein Mitglied unserer Konferenz gebeten, als Sonderbeauftragter für die Flüchtlinge die vielen Bemühungen aus dem kirchlichen Raum zu begleiten und mit neuen Impulsen zu versehen. Natürlich verfügen auch wir nicht über die Blaupause für eine tragfähige Migrationspolitik in Deutschland und Europa. Aber wir sind Partner, auf die sich Politiker, Betroffene und viele Beteiligte verlassen können. Wir werden die ethischen Standards, die aus der Würde eines jeden Menschen folgen, zuverlässig einfordern. Dem Heiligen Stuhl bieten wir für seine Bemühungen um die Flüchtlinge selbstverständlich unsere Unterstützung an.

Heiliger Vater, in zwei Tagen werden einige Mitglieder unserer Konferenz in Tschenstochau in Polen mit Mitgliedern der polnischen Bischofskonferenz gemeinsam dem Herrn für die Versöhnungsimpulse danken, die vor fünfzig Jahren die polnischen Bischöfe durch ihr Schreiben an die deutschen Bischöfe gaben, die von den Deutschen aufgegriffen wurden und im Laufe der Zeit eine starke politische Versöhnungs- und Friedenskraft entfaltet haben. Genauso sollen auch heute aus dem Raum der Kirche Kräfte erwachsen, die Frieden und Versöhnung fördern. Wir wissen uns dazu in der Verantwortung, besonders für das Projekt der Einheit Europas, das ohne die christlichen Wurzeln nicht zu verstehen ist.

In diesem Zusammenhang laden wir Sie, Heiliger Vater, herzlich ein, unser Land zu besuchen, mit uns zu beten und unsere Fähigkeit der Unterscheidung zu mehren, damit wir in schwierigen Zeiten den Frieden und das solidarische Zusammenstehen in Deutschland, Europa und der Welt voranbringen können. Es gibt keinen Gegensatz von Barmherzigkeit Gottes und seiner Gerechtigkeit. Das wollen wir verkünden und bezeugen.

Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit lädt uns darum ein und hilft uns, den Herrn um sein Erbarmen und um seinen Trost zu bitten. Wir wissen uns durch den Bischof von Rom in unserem Dienst vielfach ermutigt. Wir danken Ihnen dafür von Herzen. Wir bitten den Herrn um seinen Segen für Sie. Und wir erbitten Ihren Segen für uns, für die Gläubigen in unseren Bistümern und für unser Vaterland.

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